Eine Kurzgeschichte
Die Stiefel des Gefängniswärters hämmerten über den langen Gang und blieben schließlich vor ihrer Zelle stehen .
“ Na du Stück Scheiße , jetzt geht’s dir an den Kragen ,jetzt wird dir der Prozess gemacht .” Aus dem Knast kommst du hoffentlich nicht so schnell wieder raus , du Vaterlandsverräterin ,setzte er hinzu .
“ Du beschimpfst mich und nennst mich eine Verräterin ; und wer bist du? In meinen Augen nichts weiter als ein Büttel. Du dienst doch nur einem vergänglichen Tyrannen und… “
Der Wärter unterbrach die Gefangene barsch und brüllte “ Wie kannst du Schlampe es wagen unseren Sultan zu beleidigen, der wie kein anderer vor ihm die Geschicke unseres stolzen Vaterlandes lenkt, die Guten belohnt und… “
“…und die angeblich Bösen in Kerker sperrt? “fiel sie dem Wärter ins Wort. Der schnappte nach Luft, doch in dem Augenblick rief sein Kollege, er solle die Angeklagte in den Gerichtssaal bringen. Grob stieß er sie den Gang entlang und übergab sie den Saalwächtern.
Stunden vergingen und des Wärters Schicht neigte sich seinem Ende zu, doch aus dem Gerichtssaal kam kein Signal, die Verbrecherin wieder in ihre Zelle zu sperren.
Wo bleibt die Schlampe?, fragte er seinen Kollegen vom anderen Zellentrakt.
“Du kriegst wohl hier unten garnichts mit, he? Die hat der Richter mangels Beweisen freigelassen. Freispruch gibts bei uns ja nicht mehr. “
Am Abend sah er die Verbrecherin in den Fernsehnachrichten, wie sie freudestrahlend in zig Kameras sah, umringt von Angehörigen und Freunden, ein kleines Kind auf dem Arm, und irgendwas sagte von “ die Gerechtigkeit hat gesiegt, aber der Kampf sei noch nicht zu Ende, viele Unschuldige würden noch in Gefängnissen sitzen “.
Wut stieg in ihm hoch, zugleich aber ergriff ihn ein komisches Gefühl der Erbärmlichkeit und Nichtsnutzigkeit, was er vorher nicht kannte.
…
Auch das bittere Leid, das über uns gekommen ist, ist vergänglich! Die Männer, die heute die Menschlichkeit mit Füßen treten, werden nicht immer da sein, ihre Grausamkeit stirbt mit ihnen und auch ihr Hass! Die Freiheit, die sie den Menschen genommen haben, wird ihnen dann zurückgegeben werden. Auch wenn es Blut und Tränen kostet, für die Freiheit ist kein Opfer zu groß! ( Charlie Chaplin in Der große Diktator )